Zweites bilaterales Oberseminar zum Thema
Richard Wagner in Rußland
Nach dem Erfolg des parallel an der UniversitΣt Tübingen und an der staatlichen Lomonosov-Universität Moskau veranstalteten Oberseminars "Anton Cechov und Deutschland" (WS 1994/95) wird in diesem Wintersemester wieder ein bilaterales Projekt im Bereich der Erforschung deutsch-russischer literarischer und kultureller Beziehungen in Tübingen (Slavisches Seminar, Lehrstuhl für Literaturwissenschaft, wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge) und Moskau (Philologische Fakultät der Lomonosov-Universität, Lehrstuhl für Geschichte der russischen Literatur, wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Vladimir B. Kataev) durchgeführt. Diesmal wurde ein noch recht unerforschtes Thema ausgewählt: "Richard Wagner in Rußland. Die Rezeption seines Werkes in der russischen Literatur und Kultur". Studierende der Slavistik und Komparatistik und junge Wissenschaftler beider Universitäten befassen sich im Rahmen dieses bilateralen Oberseminars mit diesem Thema.
Das Werk Richard Wagners hat nicht nur für die Entwicklung der Musik in neuerer Zeit außerordentliche Bedeutung, sondern die auf eine Synthese der Künste ("Gesamtkunstwerk") zielenden Absichten des Komponisten, Dramatikers und philosophischen Publizisten haben der literarischen und kulturellen Entwicklung Europas seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidende Impulse gegeben. Das gilt insbesondere auch für die russische Geistes- und Kulturgeschichte, in der Wagners Werk eine weitreichende, aber bisher noch ungenügend untersuchte Wirkung entfaltet hat. Da sich das bilaterale Oberseminar auf nur wenige Vorarbeiten stützen kann, ist es als Forschungskolloquium angelegt. Dabei soll nicht auf musikwissenschaftlichem Gebiet dilettiert werden, sondern die Teilnehmer des Projekts konzentrieren sich schwerpunktmäßig auf die ganz außerordentliche Wirkung und Bedeutung, die Wagner gerade auch als Schriftsteller, Kunsttheoretiker, Philosoph und Ideologe in Rußland hatte. Durch die Zusammenarbeit von Tübinger und Moskauer Kommilitonen und Kollegen soll auch der Zugang zu bisher noch nicht ausgewerteten Quellen und Archivmaterialien gewährleistet werden. Zudem wurden Kontakte zu Tübinger Musikwissenschaftlern, dem Moskauer Konservatorium, Mitgliedern der Deutschen (Bayreuth/Berlin) und der Russischen (Sankt Petersburg) Richard-Wagner-Gesellschaften sowie nach Bayreuth (Wolfgang Wagner, der Ehrensenator der Tübinger Universität ist; Dr. Sven Friedrich, Direktor des Museums "Haus Wahnfried" u.a.) geknüpft.
Richard Wagner, der seine Karriere gewissermaßen in Riga begonnen hat, sich 1849 gemeinsam mit Michail Bakunin in Dresden für die Revolution engagierte und 1863 eine Rußlandreise unternahm, wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Rußland rezipiert. Zur Zeit des russischen Symbolismus und der darauf folgenden Avantgarde brach in Ru▀land - vor allem in den Hauptstädten Petersburg und Moskau - eine gro▀e Wagner-Begeisterung aus, man setzte sich intensiv und ernsthaft mit Wagners vielfältigem Werk auseinander, reiste zu den Bayreuther Festspielen, schuf eigene Inszenierungen. In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts flaute diese Wagner-Begeisterung unter politischem Druck allmählich ab, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach waren Wagner und sein Werk zunächst von den sowjetischen Bühnen verbannt. Derzeit scheint sich eine neue Wagner-Tradition in Rußland herauszubilden, die sich zwar augenblicklich noch nicht durch bemerkenswerte Neuinszenierungen auszeichnet, wohl aber durch regelmäßig stattfindende Arbeitstreffen und Symposien der Russischen Wagner-Gesellschaft in Petersburg sowie deren aktiver Zusammenarbeit mit der Deutschen Wagner-Gesellschaft.
Im Rahmen des bilateralen Oberseminars werden zwei Blockveranstaltungen durchgeführt, je eine in Tübingen und eine in Moskau.
Zur ersten Blockveranstaltung reisen am 17.11.1996 14 Moskauer Teilnehmer nach Tübingen, wo vom 18. bis 26.11.1996 täglich gemeinsame Seminarsitzungen stattfinden werden. Die einzelnen Themen werden in ihrer Problematik diskutiert, gemeinsam soll nach sinnvollen Herangehensweisen gesucht werden. Die Seminarsprache ist Russisch. Am 21.11. ist eine gemeinsame Exkursion nach Bayreuth geplant, dort wird Wolfgang Wagner die Tübinger und Moskauer Seminarteilnehmer begrüßen; eine Führung durch das Festspielhaus sowie ein Vortrag im Museum "Haus Wahnfried" und eine Besichtigung desselben sind vorgesehen. Die Blockveranstaltung wird vom DAAD, dem Universitätsbund und dem Auslandsamt der Tübinger Universität finanziell unterstützt. Ende Februar/Anfang März werden die Tübinger Teilnehmer für 10 Tage nach Moskau reisen, um dort mit den russischen Kollegen die Endergebnisse zu diskutieren. Eine Exkursion nach Petersburg zur Russischen Wagner-Gesellschaft ist geplant.
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